DVB-T Einführung: Geschäftemacherei und jede Menge Vertragsverstöße
Kiel, den 27.10.2004
DVB-T Einführung:
Geschäftemacherei und jede Menge Vertragsverstöße
In der heißen Phase vor der Einführung der DVB-T Fernsehversorgung registrieren die Schleswig-Holsteinischen Mietervereine große Unsicherheit insbesondere bei den betroffenen Mieterhaushalten. Hintergrund sind offenbar intensive Aktivitäten der Kabelnetzbetreiber, die großen und kleinen Vermietern gleich reihenweise neue Kabelverträge verkauft haben,
teilweise mit Laufzeiten bis zu 15 Jahren. Viele Vermieter wiederum versuchen ihre Mieter auf neue Verträge zu verpflichten oder kündigen kurzerhand an, ihre Gemeinschaftsantennen abzubauen. Beispielhaft sei die Kieler Wohnungsbaugesellschaft genannt, die Mieter in verschiedenen Liegenschaften kurzerhand vor die Wahl gestellt hat einen kostenpflichtigen Kabelanschluss abzuschließen oder selber Zimmerantenne und „Set-Top-Box“ zu beschaffen. Mieter die weder das eine noch das andere wollten, würden in absehbarer Zeit „vom Empfang jeglicher Radio- und Fernsehprogramme ausgeschlossen“.
Das Unternehmen verkauft die DVB-T Einführung unter anderem mit folgender fragwürdigen Behauptung: „Derzeit sind auf diesem Weg nur 16 Programme verfügbar, Sport- und Musikkanäle sind über die Box nicht erhältlich, ebenso wenig wie die Programme von Premiere. Außerdem wird für jedes Empfangsgerät, sofern es sich nicht um einen digital-fähigen Fernseher der jüngsten Generation handelt, eine derartige „Set-Top-Box“ benötigt. Es entstehen also unter Umständen auch noch erhebliche Anschaffungskosten.“
Der Kieler Mieterverein bezeichnet das Vorgehen der KWG als Desinformation und wirft dem Unternehmen im Übrigen glatten Vertragsbruch vor; zum einen können nach Aussage aller Experten die DVB-T Signale durch eine bestehende Antennenanlage ohne weiteres transportiert werden zum anderen versorgen derartige Antennenanlagen die angeschlossenen Wohnungen üblicherweise auch mit Radioprogrammen. In der Regel sind Gemeinschaftsantennenanlagen Vertragsgegenstand – der Vermieter kassiert dafür Miete und hat für Wartung und Instandhaltung Sorge zu tragen.
Erboste Mieterhaushalte haben in der jüngsten Zeit mit verschiedensten Fragestellungen bei den Mietervereinen angefragt: So hatte ein Vermieter versucht seine digitale Satellitenanlage als Kabelangebot zu verkaufen und Gebühren für die Zukunft angekündigt, wenn die analoge TV-Versorgung eingestellt sein wird. Ein anderer hat wegen angeblicher Umstellarbeiten an seiner Antenne eine Mieterhöhung angekündigt. Ein Kieler Vermieter wiederum hat den Abbau der Mieterdachantenne verlangt, weil DVB-T auch mit einer Zimmerantenne empfangbar ist. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die große Vielfalt der technischen und vertraglichen Konstellationen bei der Signalversorgung bringt es mit sich, dass hier nicht jede Ausgestaltung beleuchtet werden kann.
In jedem Falle gilt aber: Mieterhaushalte sollten äußerst zurückhaltend sein mit dem Abschluss von Kabelverträgen, bevor sie nicht geprüft haben, ob sie mit der DVB-T-Versorgung zurechtkommen. Das gleiche gilt, wenn der Vermieter schriftliche Zustimmung zum Abschluss eines Kabelvertrages und dessen Umlage in der Betriebskostenabrechnung verlangt. Wer durch wahrheitswidrige oder irreführenden Behauptungen seines Vermieters zum Abschluss eines Kabelvertrages verleitet worden ist, kann diesen wegen Täuschung gegebenenfalls anfechten bzw. Schadensersatz verlangen in Höhe der dadurch anfallenden Kosten.
Bestehende Antennenanlagen sind in der Regel Vertragsbestandteil und müssen vom Vermieter auch nach der DVB-T Einführung weiter betrieben werden. Dies gilt ganz besonders auch für die Versorgung mit Radioprogrammen, die von der DVB-T Einführung gar nicht betroffen sind.
Die DVB-T Einführung bringt auch weitere Aspekte mit sich: Seit September 2001 schreibt das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass Betriebskosten nur in wirtschaftlich vernünftigem Umfang veranlasst werden dürfen. Soweit also ein Vermieter in Kenntnis der Einführung von DVB-T einen Kabelvertrag abschließt, kann dieses im Einzelfall ein unwirtschaftliches Geschäft im Sinne der gesetzlichen Regelung sein mit der Folge, dass der betroffene Mieterhaushalt diese Kosten nicht zu tragen braucht.
Darüber hinaus ist es äußerst fraglich, ob in einer Zeit sich überschlagender technischer Innovation der Abschluss von Verträgen mit 15-jähriger Laufzeit wirtschaftlich sinnvoll und vernünftig ist. Auch hier sehen die Mietervereine Möglichkeiten denjenigen entgegen zu treten, die auf Kosten ihrer Mieter eigene Leistungen einschränken wollen und unvernünftige Verträge abgeschlossen haben. Naturgegebenermaßen gibt es zu diesem Komplex noch keine Rechtsprechung, die Fragen werden aber schon bei den Betriebskostenabrechnungen des Jahres 2004 voraussichtlich eine Rolle spielen.
Auskunft zu allen näheren mietrechtlichen Einzelfragen rund um die DVB-T Einführung erteilen alle örtlichen Mietervereine in Schleswig-Holstein. Deren Namen und Anschriften können zentral über die Landesgeschäftsstelle in Kiel oder unter www.mieterbund-schleswig-holstein.de abgefragt werden.
Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel