Kappungsgrenzenverordnung – Politische Diskussion irrational

Kiel, den 25.09.2014

Kappungsgrenzenverordnung – Politische Diskussion irrational

Mitte Juli hat das Innenministerium den Entwurf einer Verordnung vorgelegt, mit der Gebiete bestimmt werden sollen, in denen die gesetzliche Kappungsgrenze abgesenkt wird. Diese beträgt  20 % in drei Jahren. In Gebieten, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, kann sie durch die geplante Landesverordnung auf 15 % in 3 Jahren abgesenkt werden.

 

Die schleswig-holsteinischen Mietervereine haben deshalb sehr frühzeitig den Erlass einer derartigen Verordnung gefordert, weil sie besonders auf den Inseln, in den Küstenbädergemeinden, im hamburgischen Umland und in den kreisfreien Städten – ausgenommen Neumünster – regelmäßig mit Mieterhöhungsforderungen bis zur maximalen Höhe von 20 % konfrontiert werden.

Nach dem Entwurf des Landes sollten jedoch nur Ahrensburg, Ammersbek, Barsbüttel, Glinde, Helgoland, Hörnum, Kampen, List, Nebel, Sylt, Wedel, Wenningstedt und Wyk auf Föhr geschützt werden. Diese Auswahl hat das Land aufgrund eines Punktekataloges festgesetzt. Gemeinden, die wenigstens 10 Punkte erreicht haben, konnten aber mit einem Votum für die Aufnahme in die Verordnung 3 Punkte „hinzuverdienen“, um mit aufgenommen zu werden.

Die Rückmeldungen aus den Kommunen halten die Mietervereine für schwer nachvollziehbar. Dies gilt besonders für Norderstedt. Die zuständige Stadträtin hat mitteilen lassen, dass von Mieterhöhungen bis 20 % bei der Stadt nichts bekannt sei. Das wundert den Norderstedter Mieterverein nicht. Die Stadt macht schließlich keine Mietrechtsberatung. Der Mieterverein selber wird jedoch sehr häufig mit derartigen Forderungen konfrontiert. Ähnlich auch die kreisfreie Stadt Flensburg. Der örtliche Mieterverein hält das negative Votum der Stadt für nicht nachvollziehbar.

Auch die Landeshauptstadt Kiel legt einen veritablen Eiertanz hin. Sie hält ihren Wohnungsmarkt gleichermaßen für nicht so angespannt, dass eine Aufnahme in die Verordnung nötig wäre. So richtig sicher scheint sie sich aber nicht zu sein – man erwägt in Kiel beim Land nachzufragen, ob man vielleicht auch später in die Verordnung aufgenommen werden könnte. Dabei sind die Kieler Rahmendaten erschreckend genug: Das Wohnungsamt geht davon aus, dass die Durchschnittsmiete im neuen Mietspiegel um mehr als 4 % steigen wird. Durchschnitte haben es an sich, dass manche Werte niedriger ausfallen, andere dafür umso höher. Es wird also in einigen Rasterfeldern sehr hohe Steigerungsraten geben. Mieter haben keinen Anspruch auf Mietsenkungen. Die Steigerungen hingegen erlauben es jedem betroffenen Vermieter, sie in eine Mieterhöhung umzumünzen.

Die Miethöhe steigt mit der Nachfrage. Im Jahre 2013 sind in Kiel gerade mal Baugenehmigungen für 366 neue Wohnungen beantragt worden. Gleichzeitig ist die Zahl der Einwohner um 1.700 Personen gestiegen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in Kiel beträgt 1,72 Personen. Die Stadt müsste also rund 1.000 Wohnungen jährlich neu bauen, nur um die Neubürger unterzubringen. Davon ist sie meilenweit entfernt. Aktuelle Baugenehmigungen führen frühestens in 2 Jahren zu fertiggestellten Wohnungen, wenn sie nicht ohnehin in der Schublade verschwinden. Es ist also absehbar, dass die Wohnungsnachfrage in Kiel weiter spürbar ansteigen wird. Das Wohnungsdefizit wächst.

Ein Übriges kommt hinzu: Die Kieler Wohnungsbaugesellschaft ist unlängst an die Deutsche Annington verkauft worden. Der Kieler Mieterverein rechnet binnen kurzem mit einer ähnlichen Umsteuerung des Geschäftsgebarens, ähnlich dem, was nach dem Verkauf der BIG-Heimbau-Aktiengesellschaft an die Deutsche Annington zu besichtigen war.

Wer vor diesem Hintergrund bestreitet, dass es in Kiel einen angespannten Wohnungsmarkt gibt, ist blind für die Realität. Möglich auch, dass die Verantwortlichen der Medienkampagne der Wohnungswirtschaft aufgesessen sind. Diese predigt den Untergang des Abendlandes, wenn eine derartige Verordnung erlassen wird. Sie droht unterschwellig mit einem „Bauboykott“, wie sie es immer tut, wenn über Mieterschutz oder Wohnungsbauförderung öffentlich diskutiert wird. Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen versteigt sich gar zu der Behauptung „Wir sind die Mietpreisbremse“. Dazu muss jeder wissen: Die Deutsche Annington – der mit Abstand größte deutsche Vermieter – ist Mitglied im Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen. Mietervereine im ganzen Bundesgebiet liegen mit der Deutschen Annington über Kreuz. Die schleswig-holsteinischen Vereine hegen den Verdacht, dass der massive Widerstand des VNW vorrangig dem mitgliederstärksten Unternehmen geschuldet ist. Die große Mehrheit der im VNW organisierten Genossenschaften und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sind den Mietervereinen bislang jedenfalls nicht als Mietpreistreiber aufgefallen.

Die Kappungsgrenzenverordnung ist ein sinnvolles Instrument: In angespannten Wohnungsmärkten verhindert sie übergroße Mietensprünge. Vermieter, die derartige Mieterhöhungen nicht beabsichtigen, haben hingegen nichts zu fürchten. Bis zur Höhe von 15 % in 3 Jahren haben sie, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete dies überhaupt hergibt, freie Bahn.

Nähere Auskünfte zu allen hiermit zusammenhängenden Fragen erteilen alle schleswig-holsteinischen Mietervereine. Deren Sprechzeiten und Aufnahmebedingungen können bei der Landesgeschäftsstelle des Mieterbundes Schleswig-Holstein, Eggerstedtstraße 1, 24103 Kiel, Telefon 0431/97919-0 erfragt werden. Sie sind auch im Internet verfügbar unter www.mieterbund-schleswig-holstein.de.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

 

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