Landesverbandstag der schleswig-holsteinischen Mietervereine in Kiel

Kiel, den  17.03.2012

Landesverbandstag der schleswig-holsteinischen Mietervereine in Kiel

Heute findet turnusgemäß der Landesverbandstag der schleswig-holsteinischen Mietervereine im Kieler Hotel „Atlantic“ statt. Vor 170 Gästen und Delegierten  im öffentlichen Teil – darunter die beiden Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, Jost de Jager und Torsten Albig – wird die Mieterorganisation die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt analysieren und daraus ihre Forderungen an die Wohnungspolitik ableiten.

Im internen Teil werden die Delegierten der neun schleswig-holsteinischen Mietervereine ihre Regularien abwickeln, das „Wohnungspolitische Forderungsprogramm“ aktualisieren und ihren Vorstand neu besetzen.

Die wohnungspolitische Bestandsaufnahme der Mietervereine fällt düster aus:

Diskrepanz zwischen hohen Mieten und niedrigen Einkommen auflösen

Im hamburgischen Umland, sowie in Kiel und Lübeck gibt es zwischenzeitlich ausgeprägte Engpässe im preiswerten Marktsegment. Diese gehen auf mehrere Faktoren zurück: Die Zahl einkommensschwacher Haushalte nimmt kontinuierlich zu. Zu ihr zählen nicht nur diejenigen, die zu Hundert Prozent auf Transferleistungen angewiesen sind, sondern auch die sogenannten „Aufstocker“, deren Einkommen zur Deckung ihrer laufenden Ausgaben nicht ausreichen. Parallel dazu nimmt die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse kontinuierlich zu. Aber auch Rentnerhaushalte mit Einkommen knapp über den Transferleistungsgrenzen sind von der Mangellage im einkommensschwachen Segment betroffen, wie der steile Anstieg bei den Wohngeldbeziehern deutlich macht.

Der Schwund an preiswerten Wohnraum geht aber auch auf Abrisse größerer Wohnanlagen zurück, für die kein preiswerter Ersatz geschaffen wird. Zu nennen seien über Hundert Wohnungen des Hochhauses in der Kieler Schönberger Straße 44, 75 Wohnungen, die eine Spekulantin in der Kieler Moltkestraße für die Errichtung hochpreisiger Neubauwohnungen abreißen lässt und weitere ca. 70 Wohnungen, die im Auftrag der Kieler WOGE abgerissen werden. In Flensburg sollen mit öffentlicher Förderung 290 Wohnungen abgerissen und durch 190 Neubauwohnungen ersetzt werden. Auch in Lübeck sind zahlreiche Wohnungen dem Erdboden gleichgemacht worden, ebenso wie an anderen Standorten.

Auch die zahlreichen Finanzinvestoren, die sich auf schleswig-holsteinischen Wohnungsmärkten tummeln, lassen nichts unversucht, um ihre Mieten zu erhöhen. Diese Versuche beschränken sich nicht nur auf die Nettomieten. Finanzinvestoren versuchen ihre Renditen auch im Bereich der Betriebskosten zu verbessern, indem sie massenhaft versuchen, Reparaturen und Verwaltungsleistungen in die Betriebskosten zu verlagern auf dem Umweg über Hauswartskosten und sonstige Dienstleistungen.

Die Politik mischt kräftig mit; der zweifellos richtige Einbau von Rauchmeldern hat dazu geführt, dass massenhaft überteuerte Wartungsverträge für diese Geräte abgeschlossen wurden. Die neue Trinkwasserverordnung wird sich erwartungsgemäß auch in den Betriebskosten niederschlagen, die jüngst von CDU und FDP beschlossene Änderung des Kommunalabgabengesetzes hat gleichermaßen das Potential Betriebskosten zu erhöhen, weil diese Abgaben von interessierter Seite als wiederkehrende Lasten ähnlich wie die Grundsteuer betrachtet werden.

Ein Blick auf die Entwicklung der Heizölkosten zeigt, dass auch im Bereich von Raumwärme und Warmwasser mit weiteren erheblichen Kostensteigerungen zu rechnen ist. Vom Frühjahr 2009 bis zum Frühjahr 2012 hat sich der Heizölpreis glatt verdoppelt.

Das im Jahre 2009 verabschiedete Wohnraumförderungsgesetz für Schleswig-Holstein wird dazu führen, dass am 31.12.2013 12.395 Mietwohnungen ihren Status als Sozialwohnung verlieren. Landesweit wird es dann nur noch 54.096 Sozialwohnungen geben, obwohl die Mieterorganisation der Auffassung ist, dass rund 120.000 geförderte, preiswerte Wohnungen benötigt werden.

Da das Land auch das für den Wohnungsbau reservierte Zweckvermögen bei der Investitionsbank mit 40 Millionen EURO jährlich für die Krankenhausfinanzierung in Anspruch nimmt, ist mit einem stärkeren Engagement im Sozialwohnungsbau nicht zu rechnen.

Davon abgesehen besteht Einigkeit darüber, dass der Wohnungsbestand energetisch modernisiert werden muss. Dafür gilt prinzipiell folgende Formel: 10.000,00 € Investition in ein Mietobjekt ziehen eine Mieterhöhung von 91,66 € nach sich. Für eine 70 Quadratmeter große Wohnung würde dies einer Mieterhöhung um 1,31 € je Quadratmeter im Monat entsprechen. Die Heizkosten müssten schon auf Null reduziert werden, wenn mit einer derartigen Maßnahme keine spürbare Mieterhöhung verbunden sein soll.

Die schleswig-holsteinischen Mietervereine fordern daher die Disparität zwischen hohen Mieten und niedrigen Einkommen aufzulösen. Das Zweckvermögen Wohnungsbau darf zukünftig nur für die Wohnraumversorgung Verwendung finden. Die Mittel müssen aufgestockt werden, um den Negativtrend im Sozialwohnungsbestand umzudrehen.

Verwahrlosung von Wohnungsbeständen entgegenwirken

Landauf, landab nimmt die Zahl von Wohnungsbeständen, die deutliche Anzeichen von Verwahrlosung zeigen, immer weiter zu. In der Regel sind die Bestände in der Hand von Investoren, die verbrauchte Wohnungsbestände aufgekauft haben und völlig herunterwirtschaften. Genannt sei das Thormählen-Hochhaus in Kaltenkirchen und die von Firma AVEGE in Kiel gehaltenen Bestände. Da die gehandelten Portfolios immer kleiner werden ist es nach Auffassung der Mieterorganisation nur eine Frage der Zeit, bis einzelne Bestände so ausgelutscht sind, dass sie nicht mehr vermietbar sind. Spätestens dann drohen die ersten Konkurse, so dass abzusehen ist, dass Bestände, die so abgewirtschaftet werden, früher oder später den Kommunen vor die Füße fallen.

„Ersatzneubau“ sozialverträglich abfedern

Die Mieterorganisation wendet sich nicht prinzipiell gegen den Abriss von Wohnungsbeständen. Es ist einleuchtend, dass der Modernisierungsaufwand für manche Gebäude so groß ist, dass mit geringerem Aufwand sehr viel bessere und nicht unbedingt teurere Neubauwohnungen geschaffen werden können. Damit geht jedoch zwangsläufig Mieterverdrängung einher, die die Betroffenen häufig um so stärker trifft, als viele von ihnen teilweise schon Jahrzehnte in ihren Wohnungen leben und dort fest verwurzelt sind. Die Mietervereine fordern deswegen verbindliche Regelungen, um den Betroffenen einen Umzug zu erleichtern. Dazu gehören ein Rechtsanspruch auf Anmietung einer der neu erbauten Wohnungen zu tragfähigen Bedingungen, sowie praktische und finanzielle Unterstützung bei den Umzügen. Wenigstens bei öffentlich geförderten Bauvorhaben sollte dies in die Förderbedingungen aufgenommen werden.

Bädergemeinden an Nord- und Ostsee in eigene Mietstufen eingruppieren

Seit Jahren fordern die schleswig-holsteinischen Mietervereine die Mieter in den Fremdenverkehrsorten besser zu unterstützen. Die dort gezahlten Mieten liegen um 30 Prozent und mehr über dem Landesdurchschnitt und verdrängen immer mehr Mieterhaushalte aus den Gemeinden. Das Wohngeldgesetz sieht vor, dass Kommunen mit einer Einwohnerzahl unter 10 Tausend mit dem in der Regel deutlich niedrigeren Mietgefüge des gesamten Kreises gleichgesetzt wird. Im Kreis Nordfriesland bedeutet dies beispielsweise, dass die Inselgemeinden mit dem niedrigen Preisniveau des restlichen Kreises gleichgesetzt werden. Zwar gibt es viele Beteuerungen von der Politik, dass sie sich um dieses Problem kümmern wollen, durchgreifende Änderungen haben sich jedoch nicht ergeben. Die Mieterorganisation fordert daher von den Gebietskörperschaften, sich möglichst freiwillig, wenn dies nicht geht, notfalls mit gesetzgeberischen Maßnahmen zu größeren Gemeinden zusammen zu schließen. Damit würden nicht nur Verwaltungskosten eingespart, sondern kämen praktisch alle Mieter in den Bädergemeinden in den Genuss deutlich höheren Wohngeldes.

Basis des Klimapaktes verbreitern

Das Innenministerium hat mit den wohnungswirtschaftlichen und Wohnungseigentümerverbänden einen Klimapakt geschlossen. Er hat sich zum Ziel gesetzt den CO2-Ausstoß von Wohnungen bis 2020 um 40 Prozent zum Ausgangswert abzusenken. Dieses Ziel wird von der Mieterorganisation uneingeschränkt unterstützt. Das Ministerium lobt den Pakt als ein Instrument, mit dem ohne Zwang Investitionen in den Klimaschutz initiiert werden können. Damit erreicht er aber nur Unternehmen, die sich aus eigener Erkenntnis und im wohlverstandenen Interesse ihrer Eigentümer ohnehin um eine langfristige Sicherung ihrer Wohnungsbestände kümmern. Er ist ein Instrument für „schönes Wetter“. Der Verzicht auf Zwang führt dazu, dass diejenigen Unternehmen, für die Klimaschutz-investitionen nur unnötige Geldausgaben sind, sich zurücklehnen und ihre Bestände weiter verfallen lassen. Auch deswegen möchte die Mieterorganisation als gleichberechtigte Partnerin im Pakt mitwirken, um den Blick des Paktes auf unabweisliche Aufgaben zu lenken, die in der jetzigen Zusammensetzung nicht gesehen werden. Auf der Internet-Seite des Innenministeriums, die den Klimapakt vorstellt, heißt es unter der Überschrift „Struktur der Verträge“ unter Ziffer 6 in den Schlussbestimmungen: „Der Klimapakt ist offen für weitere Partner“. Das Werben der Mieterorganisation um aktive Mitarbeit als Partner dieses Paktes ist von Minister Schlie persönlich abgelehnt worden.

Die Mietervereine sind gleichwohl der Auffassung, dass sie völlig selbstverständlich als gleichberechtigte Partner in diesem Pakt aufgenommen werden müssen.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

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