Mieter tagen in Kiel 120 Delegierte formulieren Anforderungen an die zukünftige Wohnungspolitik
Kiel, den 19.02.2000
Mieter tagen in Kiel
120 Delegierte formulieren Anforderungen an die zukünftige Wohnungspolitik
In Kiel findet zur Zeit turnusmäßig der schleswig-holsteinische Mietertag statt, zu dem sich 120 Delegierte aus 9 schleswig-holsteinischen Mietervereinen versammelt haben. Sie vertreten 50 Tausend in Schleswig-Holstein organisierte Mieterhaushalte.
Zu Beginn der Veranstaltung warnte der Landesvorsitzende Ulrich Klempin mit großem Nachdruck vor dem Ausbluten des Sozialwohnungsbestandes. So werden bis zum Jahre 2008 rund 45 Tausend Wohnungen in Schleswig-Holstein ihre Eigenschaft „öffentlich-gefördert“ mit ihren Preis- und Belegungsbindungen verlieren. Dies entspricht mehr als der Hälfte des derzeitigen Sozialwohnungsbestandes. Er kritisierte die ablehnende Haltung einiger Parteien zum sozialen Wohnungsbau und forderte Land und Kommunen auf, sich nicht von ihren öffentlich kontrollierten Wohnungsbeständen wie LEG Schleswig-Holstein oder Trave GmbH in Lübeck zu trennen. Die Landeshauptstadt Kiel habe ein schlechtes Beispiel mit dem Verkauf der KWG gegeben. Bei neuerlicher Anspannung auf dem Wohnungsmarkt würden insbesondere schwächer gestellte Mieterhaushalte die negativen Folgen des Ausverkaufes schmerzlich zu spüren bekommen.
Schließlich warnte Klempin vor einer Veränderung des Kräftegleichgewichtes zwischen Mietern und Vermietern im Rahmen der anstehenden Mietrechtsreform. Der Deutsche Mieterbund werde sich an einer Vereinfachung des Mietrechts aktiv beteiligen, lehne aber eine Kräfteverschiebung mit Nachdruck ab.
Auf der Tagesordnung des öffentlichen Teils stehen noch Statements der politischen Parteien zur Wohnungspolitik und wird die für den Wohnungsbau zuständige Ministerin Angelika Birk die Prioritäten der Landesregierung bei der Wohnungsbauförderung erläutern. Anstelle der verhinderten Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Anke Fuchs, wird DMB-Bundesdirektor Franz-Georg Rips zu aktuellen wohnungspolitischen Fragen auf Bundesebene Stellung nehmen, insbesondere zur anstehenden Mietrechtsreform und zum Ausverkauf öffentlich kontrollierter Wohnungsbestände.
Im internen Teil liegen den Delegierten eine Vielzahl von Anträgen zur zukünftigen Wohnungspolitik vor. Dazu gehört ein Antrag auf Erhöhung des Sozialwohnungsbestandes von derzeit 85 Tausend auf langfristig 120 Tausend Wohnungen, wobei diese Preis- und Belegungsbindungen nicht zwangsläufig durch Neubau, sondern auch durch Maßnahmen im Bestand erworben werden sollen. Dazu gehört der Ankauf von Preis- und Belegungsbindungen, die Einräumung von Bindungen im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen und der Tausch von Bindungen im Rahmen zukünftiger Neubauförderung.
Ein anderer Antrag zielt auf ein Verbot von Kopplungsverträgen im betreuten Wohnen; nach Erfahrungen der Mietervereine wird die eingeschränkte Wehrhaftigkeit von Seniorinnen und Senioren, teilweise auch von namhaften Anbietern in nicht hinnehmbarer Weise ausgenutzt durch Vereinbarung überhöhter Betreuungsentgelte und Vertragskonstellationen, die den Mietern keinerlei Kontrollmöglichkeiten einräumen.
In die gleiche Richtung zielt ein Antrag zur Senkung von Betriebskosten dahingehend, dass bei Gewährung von öffentlichen Baudarlehen nur noch solche Betriebskosten neben der Miete umgelegt werden dürfen, auf die der einzelne Mieterhaushalt einen unmittelbaren Einfluss hat. Nach dem Willen der Antragssteller soll die Wohnungswirtschaft damit veranlasst werden, im Bereich der Betriebskosten mehr Kostenbewußtsein und wirtschaftliche Vernunft walten zu lassen.
Ein weiterer Antrag zielt auf Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe in Schleswig-Holstein. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass das Instrument immer wieder zu schweren Verwerfungen geführt hat, da es keine Anbindung an die regionale Mietenentwicklung habe. Durch die vom Landesmieterbund immer wieder kritisierte Abkopplung von den örtlichen Mietspiegeln kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu erheblichen Überabschöpfungen mit der Folge, dass die Fehlbelegungsabgabe ganze Stadtteile erodiert hat, weil diejenigen, die es sich leisten konnten, weggezogen sind. Wenn der Landesgesetzgeber nicht bereit sei, eine Anbindung an das örtliche Mietgefüge herzustellen, müsse das Instrument eben ganz abgeschafft werden.
Neben den üblichen Regularien stehen auch Landesvorstandswahlen an; es ist damit zu rechnen, dass die wieder kandidierenden Landesvorstandsmitglieder (darunter der Landesvorsitzende Ulrich Klempin) in ihren Ämtern bestätigt werden.
Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel