Verkauf der Eisenbahnerwohnungen: Auch Schleswig-Holstein betroffen

Kiel, den 29.07.1999

Verkauf der Eisenbahnerwohnungen: Auch Schleswig-Holstein betroffen

Über den vom Landesmieterbund als schwerwiegenden Fehler bezeichneten Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft mit 11 Tausend Wohnungen ist ein anderes Geschäft in den Hintergrund getreten, von dem Schleswig-Holstein ebenfalls betroffen ist. Auf Bundesebene nämlich werden die sogenannten „Eisenbahnerwohnungen“ verkauft, die als betriebliche Sozialeinrichtung im Rahmen der Wohnungsfürsorge den Mitarbeitern der Deutschen Eisenbahnen zur Verfügung stehen.

Dabei handelt es sich landesweit um 3.130 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Norden GmbH mit Sitz in Hamburg. Dieser Wohnungsbestand ist landesweit verstreut mit Schwerpunkten in Neumünster (890 WE), Kiel (440 WE), Lübeck (410 WE) und Flensburg (288 WE). Auskunft über die betroffenen Bestände erteilen alle schleswig-holsteinischen Mietervereine. Auch die Eisenbahnerwohnungen zählen zum preiswerten Marktsegment; ihre „Privatisierung“ hält der Landesmieterbund für einen schweren Fehler; zum einen ist der geplante Verkauf wirtschaftlich nicht vertretbar; DMB-Bundesdirektor Franz-Georg Rips hatte bereits darauf hingewiesen: „Wer vor der Entscheidung steht, alle 114 Tausend Wohnungen zu verkaufen und dafür unter Berücksichtigung steuerlicher Wirkungen maximal 3,5 Milliarden DM für den Bundeshaushalt zu vereinnahmen, oder als Alternative dazu sichere 3 Milliarden DM im Jahre 1999 zu erzielen und 91 Tausend Wohnungen für die Sozialeinrichtung Eisenbahnerwohnungen zu erhalten, muß sich für die zweite Alternative entscheiden.“ Niemand kann es sich leisten, in einer Phase dauerhafter Defizite öffentlicher Haushalte öffentliches Vermögen zu verschleudern.

Aber auch die soziale Verantwortung, die sich aus dem Eisenbahnerneuordnungsgesetz ableitet, müßte den Erhalt der Sozialeinrichtungen garantieren. Dieses Sozialkapital kann nur gesichert werden, wenn der Totalverkauf unterbunden wird. Schließlich geht es nach Auffassung des Mieterbundes auch um die Glaubhaftigkeit der Politik; die Koaltion aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen hat im Koalitionsprogramm vom 20.10.1998 eine klare Aussage getroffen: „Bei der Privatisierung bundeseigener Wohnungsbestände gehen wir sozialverträgliche Wege, wie Kaufangebote an Kommunen und Ländern, Genossenschaftsgründungen, Mieterprivatisierung zur Vermögensbildung und Altersvorsorge oder Erhalt einzelner Gesellschaften bei größerer Wirtschaftlichkeit.“

Mit dieser Koalitionsaussage hat der geplante Verkauf nichts zu tun. Genossenschaftsgründungen sind nicht geprüft worden, eine Mieterprivatisierung würde nur über das Alternativmodell zum Zuge kommen.

Schließlich weist der Mieterbund darauf hin, daß sich rote und grüne Politiker vor der Bundestagswahl rundweg gegen einen Verkauf der Eisenbahnerwohnungen ausgesprochen hatten. Mit dem Sinneswandel nach dem Regierungswechsel wird die persönliche Glaubwürdigkeit der handelnden Politiker und das Ansehen der Politik im allgemeinen beschädigt.

Schließlich weist der Landesmieterbund darauf hin, daß der Hauptpersonalrat seine Zustimmung zu dem Geschäft nicht erteilt hat. Damit ist das Einigungsverfahren angesagt und selbst ein anschließendes Gerichtsverfahren denkbar. Der Ausgang ist ungewiß.

So wie die Landesmieterorganisation den Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft ablehnt, lehnt sie aus guten Gründen auch den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen ab und wird sie sich gegen den von Kandidat Rühe bereits angedachten Verkauf der WOBAU Schleswig-Holstein stellen. Angesichts dramatisch abschmelzender Sozialwohnungsbestände und einem Einbruch bei den Baugenehmigungszahlen im Geschoßwohnungsbau um 47 % ist eher der Aufbau von preiswerten Wohnungsbeständen angesagt als der sich abzeichnende Kahlschlag.

Neben den rund 50 Tausend Wohnungen, die bis zum Jahre 2008 ihre Sozialbindungen verlieren werden, kommen damit landesweit zwischen 40 und 50 Tausend Wohnungen aus öffentlich kontrollierten Beständen unter die Räder angefangen bei dem von den Kieler Werkswohnungen veräußerten Bestand über die Kieler Wohnungsbaugesellschaft, die Eisenbahnerwohnungen bis hin zu den akut gefährdeten Wohnungen der WOBAU Schleswig-Holstein. Die langfristigen Folgen dieser Roßkur im Verbund mit den übrigen zur Zeit diskutierten Einschränkungen im Sozialbereich gefährden den sozialen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig. Auch wenn die Landesmieterorganisation zur Zeit den Part des Rufers in der Wüste innehat, wird sie nicht müde, auf die Spätfolgen dieser Geschäfte hinzuweisen, die sich verheerend auch auf die Sozialhilfeetats der Kommunen auswirken werden.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

 

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