Wichtige Mietrechtsurteile des Bundesgerichtshofes
Kiel, den 21.06.2005
Wichtige Mietrechtsurteile des Bundesgerichtshofes
Über Hundert Grundsatzurteile zum Mietrecht hat der Bundesgerichtshof in den letztern 3 Jahren gefällt und damit tief in die Rechtsverhältnisse zwischen Mieter und Vermieter eingegriffen. Die schleswig-holsteinischen Mietervereine haben 10 wichtige Urteile, die auch in der Beratung der örtlichen Mietervereine immer wieder eine große Rolle spielen, zusammengestellt:
1. Betriebskostenabrechnungen binnen 12 Monaten
Erteilt der Vermieter innerhalb der 12 Monatsfrist eine formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung, so kann er inhaltliche Fehler auch nach Fristablauf noch korrigieren. Die nachträgliche Korrektur darf sich dann aber nicht mehr zum Nachteil des Mieters auswirken (BGH VIII ZR 115/04).
Fazit: Wenn der Vermieter eine geordnete Zusammenstellung der Gesamtkosten mit einem transparenten Verteilerschlüssel, der die Berechnung des Anteils des Mieters nachvollziehbar macht, und die Vorauszahlungen des Mieters ordnungsgemäß abzieht, so sollen etwaige Fehler, die in diese Abrechnung enthalten sind, heilbar sein.
2. Rückforderung von Vorauszahlungen
Ist das Mietverhältnis beendet und hat der Vermieter nicht spätestens 12 Monate nach Ende des Abrechnungszeitraumes über die Betriebskosten abgerechnet, so kann der Mieter die Rückzahlung der gesamten Betriebskostenvorauszahlungen für den fraglichen Abrechnungszeitraum fordern. Rechnet der Vermieter später doch noch ab, so kann er Zahlungen des Mieters höchstens bis zur Höhe der ursprünglich geleisteten Vorauszahlungen nachverlangen (BGH VIII ZR 57/04).
Fazit: Ein Mieter kann alle Vorauszahlungen eines Abrechnungszeitraumes zurückfordern, wenn es für ihn keine andere Möglichkeit gibt, den Vermieter zur Abrechnung zu zwingen. Der Vermieter kann sich gegen eine Verurteilung wehren, indem er die Betriebskostenabrechnung nachliefert.
3. Bruttomiete
Bei der Berechnung einer Mietminderung ist von der vereinbarten Bruttowarmmiete auszugehen. Das bedeutet, dass auch auf Heiz- und Betriebskosten gemindert werden kann (BGH XXII ZR 225/03).
Fazit: Die Streitfrage, ob auf Brutto oder auf Netto gemindert wird, ist entschieden; dabei ist es unerheblich, ob die Nebenkosten als Pauschale oder Vorauszahlungen gezahlt werden.
4. Wohnungsgröße
Ein Wohnungsmangel liegt vor, wenn die tatsächliche Wohnungsgröße mehr als 10 Prozent unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Mieter sind berechtigt, die vertraglich geschuldete Miete zu mindern und haben Anspruch auf Rückzahlung der in der Vergangenheit zuviel gezahlten Miete (BGH VIII ZR 133/03).
Fazit: Bei einer erheblichen Flächenabweichung von mehr als 10 Prozent liegt immer ein Mangel vor. Der Umfang der Mietminderung entspricht dem Verhältnis der prozentualen Flächenabweichung.
5. Barkaution
Eine Mietvertragsklausel, die den Mieter verpflichtet, die Kaution auf einen Schlag bei Vertragsabschluss zu zahlen, ist teilweise unwirksam. Der Mieter ist berechtigt, in 3 Raten zu zahlen. Die Teilunwirksamkeit führt aber nicht dazu, dass die Kautionsabsprache insgesamt unwirksam ist (BGH VIII ZR 243/03). Dies gilt auch bei der Kautionsform „Verpfändetes Sparbuch“. Der Mieter kann die Einzahlung auf dieses Sparbuch in 3 Raten vornehmen (BGH VIII ZR 344/02).
Fazit: Die Vereinbarung, dass überhaupt eine Kaution gezahlt werden muss, bleibt wirksam. Abweichend von einer mietvertraglichen Vereinbarung kann der Mieter in 3 Raten zahlen.
6. Starre Fristen bei Schönheitsreparaturen
Eine Vertragsklausel im Mietvertrag, die die Ausführung der Schönheitsreparaturen von einem starren Fristenplan abhängig macht, ist unwirksam (BGH VIII ZR 361/03).
Fazit: Gerade in Schleswig-Holstein sind noch Tausende von Vertragsklauseln zu Schönheitsreparaturen im Umlauf, die nach diesem Urteil unwirksam sind. Entscheidend ist, dass diese Klauseln aus Sicht des Mieters immer und ohne Ausnahme verlangen, dass er nach einem bestimmten Zeitablauf tätig werden muss.
7. Endrenovierung
Eine Endrenovierungsklausel, nach der der Mieter bei Auszug die Wohnung fachmännisch renoviert zurück zu geben hat, ohne Rücksicht auf den für Schönheitsreparaturen vereinbarten Zeitablauf, ist unwirksam. Die Unwirksamkeit erfasst auch die mietvertragliche Regelung zu laufenden Schönheitsreparaturen. Die Schönheitsreparaturklauseln sind insgesamt unwirksam (BGH VIII ZR 308/02).
Fazit: In den meisten Mietverträgen finden sich mehrere Klauseln oder mehrere Regelungen zum Thema Schönheitsreparaturen. Der BGH hat entschieden, dass alle Schönheitsreparaturregelungen innerhalb eines Vertrages wie eine große Gesamtregelung zu verstehen sind. Wenn beispielsweise die Endrenovierungsklausel im Mietvertrag unwirksam ist, dann erfasst diese Unwirksamkeit auch alle anderen Absprachen zu den Schönheitsreparaturen.
8. Formularmäßiger Kündigungsverzicht
Das Kündigungsrecht kann für Mieter und Vermieter durch eine Formularvereinbarung für beide Seiten ausgeschlossen werden. Ein beiderseitiger formularmäßiger Kündigungsverzicht ist höchstens für 4 Jahre zulässig (BGH VIII ZR 27/04).
Fazit: Nachdem der Gesetzgeber mit der Mietrechtsreform 2001 einfache Zeitmietverträge abgeschafft hat, führt der Bundesgerichtshof sie quasi durch Hintertür wieder ein. Die spitzfindige Unterscheidung zwischen Zeitmietvertrag und Kündigungsverzicht ist allenfalls für Mietrechtspezialisten nachvollziehbar.
9. Mietrückstand
Wer Mietrückstände vollständig innerhalb der gesetzlichen 2-Monatsfrist ausgleicht, kann eine fristlose Kündigung des Vermieters unwirksam machen. Dies gilt aber nicht für eine ordentliche Kündigung des Vermieters, die auf den Kündigungsgrund „schuldhafte Pflichtverletzung“ gestützt und ausgesprochen wird (BGH VIII ZR 6/04).
Fazit: Es erscheint zwar paradox, dass ein und dasselbe Verhalten des Mieters eine fristlose und eine ordentliche Kündigung auslösen kann, dass dann die Rückzahlung der Mietschulden die fristlose Kündigung unwirksam macht, die ordentliche Kündigung aber bestehen lässt, ist ebenso schwer nachvollziehbar. Gegen die ordentliche Kündigung gibt es aber auch noch andere Rechtsmittel.
10. Eigenbedarf
Kündigung der Vermieter wegen Eigenbedarfes, so muss er dem Mieter eine vergleichbare, ihm gehörende, im selben Haus oder in der selben Anlage liegende leerstehende Wohnung anbieten. Tut er das nicht, ist die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (BGH VIII ZR 276/02).
Fazit: Wenn schon eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen wird, so muss der Vermieter seinen Anspruch so schonend wie möglich ausüben. Dies gilt aber nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und nur, wenn sich die leerstehende Wohnung im selben Haus oder der selben Wohnanlage befindet.
Die Rechtsprechung zum Mietrecht ist in ständiger Bewegung. Sie betrifft in vielen Fällen Formularmietverträge von Vermieterverbänden. Diese fassen ihre Verträge meistens bis an die Grenze des Zulässigen zu Gunsten ihrer Klientel ab. Oft wird die Grenze des Zulässigen auch überschritten, z.B. durch ergänzende und nachteilige Bedingungen, die ein Vermieter individuell dazu schreibt. Die schleswig-holsteinischen Mietervereine raten deswegen dringend zu einer gesunden Skepsis gegenüber nachteiligen Formularmietvereinbarungen; Was heute noch zulässig ist, kann morgen schon unwirksam sein.
Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel