Europäische Kommission senkt Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen in den Niederlanden – Gefahr für den preiswerten Wohnungsbestand auch in Schleswig-Holstein – Mieter sind zum Widerspruch aufgerufen

Kiel, den 11.02.2011

Europäische Kommission senkt Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen in den Niederlanden – Gefahr für den preiswerten Wohnungsbestand auch in Schleswig-Holstein – Mieter sind zum Widerspruch aufgerufen

aufgrund der Entscheidung E2/2005 der EU-Kommission müssen ab dem 01.01.2011 die Einkommensgrenzen für den Zugang zu sozial geförderten Wohnungen in den Niederlanden von derzeit 43.000 Euro auf 33.000 Euro brutto per Haushalt und Jahr gesenkt werdenund zwar unabhängig von der Wohnungsgröße. Damit ist rund 650.000 Menschen der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum versagt worden, da diese die Einkommensgrenzen nun überschreiten.

 

Ein derart scharfer Eingriff in die Wohnungs- und Sozialpolitik der Niederlande birgt das Risiko in sich, dass vergleichbare Restriktionen auch auf Deutschland – und wegen des Übergangs der Wohnungsbauförderung auf die Länder infolge der Föderalismusreform – auch auf Schleswig-Holstein zukommen könnte. Motor einer derartigen Entwicklung könnten die in Schleswig-Holstein sehr aktiven anglo-amerikanischen Finanzinvestoren sein, die den größten Teil des schleswig-holsteinischen Sozialwohnungsbestandes aufgekauft haben. Ausgerechnet diese Unternehmen sind es, die ihre Wohnungsbestände hemmungslos ausbeuten, dabei substantiell vernachlässigen und sich überwiegend auf die Fahnen geschrieben haben, sich von diesem Investment wieder zu trennen. Gleichwohl haben sie ein Interesse daran, die Konkurrenz durch kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften einzudämmen und sich so bessere Marktbedingungen zu verschaffen.

Eine Vorgabe wie in den Niederlanden wäre für Schleswig-Holstein eine Katastrophe; damit würden alle Bemühungen zunichte gemacht, der schleichenden Segregation entgegenzuwirken und die noch vorhandene Durchmischung von Bevölkerungsgruppen aufrecht zu erhalten. Sozialer Wohnungsbau würde zu einem Wohnungsbau für die Ärmsten der Armen degradiert. Ein derartiger Eingriff würde ganz besonders diejenigen Bevölkerungsgruppen treffen, deren Einkommen knapp über den Grenzen des Transferleistungsbezugs liegen und die plötzlich nicht einmal mehr Zugang zu preiswerteren öffentlich geförderten Wohnungen haben. Die Wohnungsversorgung für einkommensschwache Haushalte ist schon ohne einen Eingriff der Europäischen Kommission schwierig genug.

Aus diesem Grunde hat der Deutsche Mieterbund Landesverband Schleswig-Holstein die schleswig-holsteinischen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes angeschrieben mit der Aufforderung, sie mögen die die „Written Declaration“ Nr. WD 0085/2010 unterzeichnen, mit der die Europäische Kommission unter anderem aufgefordert wird, angesichts des Mangels an erschwinglichem Wohnraum, nicht von den Mitgliedstaaten zu verlangen, dass sie den Zugang zu sozialem Wohnungsbau auf sozial benachteiligte Gesellschaftsgruppen begrenzen und damit andere Gruppen von Bürgern mit entsprechenden Bedürfnissen ausschließen. Der Mieterbund Schleswig-Holstein ist zuversichtlich, dass die EU-Abgeordneten Ulrike Rodust, Britta Reimers und Reimer Böge sich seiner Einschätzung anschließen und die Written Declaration unterzeichnen werden. Nach Auffassung der schleswig-holsteinischen Mieterschützer können nur so beträchtliche Risiken für den schleswig-holsteinischen Sozialwohnungsbestand vermieden werden. Die Sache ist eilbedürftig; die Frist zur Unterzeichnung läuft am 17.02.2011 ab. Mieterhaushalte, die diese Initiative unterstützen möchten, sind gebeten, sich in diesem Sinne per E-Mail an die EU-Abgeordneten unter folgenden Adressen zu wenden:

info@ulrike-rodust.eu

britta.reimers@europarl.europa.eu

info@reimerboege.de

 

Nachfolgend der Text der Written Declaration:

SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNG

eingereicht gemäß Artikel 123 der Geschäftsordnung

zur Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Vielfalt bei der Festlegung der besonderen Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus durch die Mitgliedstaaten

Françoise Castex, Jean-Luc Bennahmias, Frank Engel, Miguel Portas, Heide Rühle

Fristablauf: 17.2.2011

 

0085/2010

Schriftliche Erklärung zur Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Vielfalt bei der Festlegung der besonderen Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus durch die Mitgliedstaaten

Das Europäische Parlament,

– unter Hinweis auf das Protokoll Nr. 26 VAEU, in dem Bezug auf den weiten Ermessensspielraum, den die Mitgliedstaaten bei der Organisation der öffentlichen Dienste haben, die Vielfalt dieser Dienste und die Unterschiede bei den Bedürfnissen, die entsprechend den lokalen kollektiven Entscheidungen und Rechten zu befriedigen sind, genommen wird,

– gestützt auf Artikel 123 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass es in der Entscheidung der Kommission zum sozialen Wohnungsbau (Rechtssache Staatliche Beihilfe Nr. E 2/2005) u. a. heißt: Da dieser öffentliche Dienst sozialen Charakter hat, müssen dessen Tätigkeiten in direktem Zusammenhang zu sozial benachteiligten Haushalten stehen,

B. in der Erwägung, dass die Festlegung der besonderen Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus einschließlich der Förderung eines sozial gemischten Wohnumfelds und einer gemischten Flächennutzung in den Städten sowie der Bekämpfung der sozialen Segregation nach wie vor eine ausschließliche Befugnis der Mitgliedstaaten ist,

1. fordert die Kommission angesichts des Mangels an erschwinglichem Wohnraum auf, nicht von den Mitgliedstaaten zu verlangen, dass sie den Zugang zu sozialem Wohnungsbau auf sozial benachteiligte Gesellschaftsgruppen begrenzen und damit andere Gruppen von Bürgern mit entsprechenden Bedürfnissen ausschließen;

2. fordert die Kommission auf, den allgemeinen Charakter der Aufgaben, den die Mitgliedstaaten diesen sozialen Diensten zugewiesen haben, nicht als offensichtlichen Fehler in der Beurteilung der Dienste zu betrachten, für die Artikel 14 VAEU und das Protokoll Nr. 26 VAEU gelten;

3. beauftragt seinen Präsidenten, diese Erklärung mit den Namen der Unterzeichner dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

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