Frisches Futter für Heuschrecken Wohnraumförderungsgesetz im Landtag

Kiel, den 25.02.2009

Frisches Futter für Heuschrecken
Wohnraumförderungsgesetz im Landtag

Mit der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz für die Wohnungsbauförderung ausschließlich den Ländern zugewiesen worden. Soweit die Länder davon keinen Gebrauch machen, gilt das Wohnraumförderungsgesetz des Bundes weiter. Heute berät der Schleswig-Holsteinische Landtag über einen Gesetzesentwurf der Landesregierung, der zwischenzeitlich auch den Rechtsausschuss passiert hat. Dort ist er mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimme von FDP und Bündnis90 / Die Grünen – nach marginalen Änderungen – dem Landtag zur Annahme empfohlen worden.

Der Mieterbund Schleswig-Holstein bezeichnet den Entwurf als Irrweg. Die Nachteile überwiegen die Vorteile bei weitem. Auf eine kurze Formel gebracht, soll der gesamte Altbestand geförderter Wohnungen nach längstens 35 Jahren Bindungsdauer in den freien Wohnungsmarkt entlassen werden. Damit sollen Anreize für die Wohnungswirtschaft geschaffen werden, die Bestände zu modernisieren. Um den zu erwartenden Mietenschub zu dämpfen, soll die ab 01.07.2009 mit den betroffenen Mietern vereinbarte Kostenmiete als so genannte „Basismiete“ festgelegt werden, auf die spätere Mieterhöhungen aufsetzen. Schon diese Vorgabe wird sehr schnell zu kräftigen Mieterhöhungen führen, weil große Teile des Altwohnungsbestandes mit Hilfe von so genannten „Ertragsverzichten“ auf das unterhalb der Kostenmiete liegende Vergleichsmietengefüge abgesenkt worden sind, um die Vermietbarkeit zu gewährleisten. Die Wohnungswirtschaft wird erwartungsgemäß zum 01.07.2009 diese Ertragsverzichte zügig aufheben und die kostenrechtlich maximal zulässige Miete verlangen.

Aber auch die weiteren Mieterhöhungsbeschränkungen sind nach Auffassung des Landesmieterbundes völlig untauglich. So sollen Erhöhungen der „Basismiete“ frühestens zum 01.07.2014 zulässig sein und innerhalb von 3 Jahren nicht mehr als 9 % betragen. Daraus leitet sich folgende einfache Rechnung ab: Mieterhöhungsspielraum am 01.07.2014 gleich 9 %, weitere Mieterhöhungsmöglichkeit am 01.07.2017 noch einmal 9% und anschließende Mieterhöhungsmöglichkeit am 01.07.2019 11%, weil ab dann die Bundesregelung für freifinanzierten Wohnraum gilt, die Erhöhungen von 20 % innerhalb von 3 Jahren zulässt. Unter dem Strich eröffnet der Gesetzentwurf für den Zeitraum 01.07.2014 bis 01.07.2019 damit Mieterhöhungsspielräume von 29 %. Das schlimmste daran: Je tiefer die Kostenmiete am 01.07.2009 unter der Vergleichsmiete lag, desto größer sind die Mieterhöhungsspielräume in der Folgezeit. Dies alles kann noch übertroffen werden durch zusätzliche Mieterhöhungen, die sich aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen ergeben, die das Gesetz ja ausdrücklich anstoßen will. Die Prophezeiung der Mieterorganisation: Finanzinvestoren und Co. werden zunächst einmal die Mieterhöhungsspielräume ausschöpfen, die ihnen in den Schoß fallen und dann überlegen, ob sie den nunmehr ertragreicheren Bestand Gewinn bringend weiterverscheuern oder tatsächlich eine Modernisierung mit weiteren Mieterhöhungen draufsetzen. Letzteres könnten sie allerdings schon jetzt. Von einer Modernisierungswelle im Land ist jedoch weit und breit nichts zu erkennen.

Dass die Befürchtungen der Mieterorganisation nicht aus der Luft gegriffen sind, lässt sich leicht am Kieler Mietspiegel 2008 ablesen, der hochaktuelle Daten widerspiegelt. Danach sind die Mieten in Kiel zwar gegenüber 2006 insgesamt nur um 0,4 % gestiegen. Bei genauerem Hinschauen erkennt man allerdings Preissteigerungen weit oberhalb derer bei den Lebenshaltungskosten im Bereich der kleinen, schlechten und alten Wohnungen. Diese haben bis zu 7,8 % gegenüber dem Mietspiegel 2006 zugelegt aufgrund der enormen Nachfrage nach einfachen und preiswerten Wohnungen. Die Klageflut bei den Sozialgerichten um anzuerkennende Miethöhen beim Transferleistungsbezug spiegeln dies eindrucksvoll wider.

Im Gegenzug haben die großen, neueren und gut ausgestatteten Wohnungen deutlich nachgegeben, und zwar ebenfalls bis 7,8 %. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt betrifft also genau die Wohnungen, die der Landtag jetzt frei geben will. Dies allein reicht der Mieterorganisation, um das Gesetz als völlig untauglich abzulehnen.

Darüber hinaus ist der Entwurf ein Gesetz der vergebenen Chancen. Um die bei allen Beteiligten ungeliebte Kostenmiete zu ersetzen hatte die Mieterorganisation vorgeschlagen, geförderte Mieten auf ein Niveau von 20 % unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete festzulegen. Dieses Konzept wird beispielsweise in Baden-Württemberg (mit 15 %) gefahren. Dazu das Innenministerium: Abgelehnt!

Um der unglaublichen Preistreiberei bei den Betriebskosten etwas entgegenzusetzen hatte die Mieterorganisation vorgeschlagen, Mietobergrenzen einschließlich aller Betriebskosten festzulegen, so dass es Unternehmen verwehrt ist, zwar eine niedrige Miete zu kassieren dafür aber bei den Betriebskosten zuzulangen. Hiervon sollten nur gemessene, verbrauchsabhängige Betriebskosten ausgeklammert bleiben, wie Heizung, Wasser, Abwasser und vielleicht Müll. Dazu das Innenministerium: Ebenfalls abgelehnt! Gerade letztere Regelung hätte es Mietern, Kommunen und Gerichten erheblich erleichtert, die im Bereich Hartz IV so bedeutsamen Mietobergrenzen besser zu handhaben.

Fazit des Mieterbundes. Der Entwurf gehört zum Altpapier, und zwar schnell.

Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel

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