Mieterprivatisierung: Vorsicht bei besonders günstigen Kaufangeboten- Kaufpreis und Finanzierung wollen sorgfältig gerechnet sein

Kiel, den 03.12.2003

Mieterprivatisierung: Vorsicht bei besonders günstigen Kaufangeboten- Kaufpreis und Finanzierung wollen sorgfältig gerechnet sein

Bei den schleswig-holsteinischen Mietervereinen mehren sich in jüngster Zeit Anfragen verunsicherter Mieter, denen ihre eigene Wohnung zum Kauf angeboten wird. Viele davon reizt der Gedanke, Wohneigentum zu erwerben und damit vermeintlich eine sicherere Rechtsposition in ihrer Wohnung zu erlangen

. Auf der anderen Seite fürchtet die große Mehrzahl auch die Unwägbarkeiten, die sich aus dem Kauf der eigenen Wohnung ergeben könnten, z.B. der schnelle Anfall größerer Reparaturen, für die noch keine Instandhaltungsrücklage angespart ist. Motor der jüngsten Entwicklung scheint die Tatsache zu sein, dass die Eigenheimzulage ins Gerede gekommen ist und zum 01.01.2004 wegfallen oder deutlich eingeschränkt werden könnte. Dieses Phänomen veranlasst auf der einen Seite die Wohnungswirtschaft, zum Verkauf bestimmte Bestände verstärkt anzubieten und fördert auf der anderen Seite das Interesse kaufwilliger Mieter, die die Eigenheimzulage in der jetzigen Höhe noch mitnehmen wollen oder nur mit ihrer Hilfe kaufen können. Einen zusätzlichen starken Anreiz bilden regelmäßig die „großzügigen Rabatte“, die kaufwilligen Mietern angedient werden, wenn es um ihre eigene Wohnung geht.

 

Grundsätzlich steht die Mieterorganisation auf dem Standpunkt, dass die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen abzulehnen ist, weil sie in aller Regel mit Mieterverdrängung einhergeht. Dies ist kein Plädoyer gegen Eigentumswohnungen an sich; wenn diese Wohnform gewünscht ist, so kann man gerne Eigentumswohnungen im Neubau errichten. Damit wäre gewährleistet, dass Mieter nicht unter Druck gesetzt werden und der Erwerb ohne Mieterverdrängung vonstatten gehen kann. Diese Überlegung hilft aber denjenigen nicht, die jetzt vor der Frage stehen, ob sie kaufen sollen oder nicht. Dazu geben die Mietervereine folgende Empfehlung ab:

Die Frage, ob ein Kauf der eigenen Wohnung lohnenswert und finanzierbar ist, ist in erster Linie ein reines Rechenexempel. Dabei spielt zunächst die Frage eine Rolle, ob die angebotene Wohnung den Kaufpreis überhaupt wert ist. Die Mietervereine warnen in diesem Zusammenhang dringend davor, sich von dem häufig eingebauten „Mieterrabatt“ blenden zu lassen; es zählt, was unter dem Strich steht – alles andere ist Kosmetik. Und ob die Wohnung den geforderten Kaufpreis wert ist hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Zustand sie sich befindet, insbesondere ob ein Reparaturstau „mitgekauft“ wird. Dies zu beurteilen bedarf es in der Regel professionellen Sachverstandes. Die Mietervereine raten daher interessierten Mietern, sich zusammen zu schließen und ggf. gemeinschaftlich ein Wertgutachten in Auftrag zu geben, dessen Kosten – auf mehrere Schultern verteilt – eine gute Investition sind. Wenn der Wert feststeht, gilt es der Finanzierungsseite die nötige Aufmerksamkeit zu widmen: Die meisten Anbieter legen zugleich ein Finanzierungsangebot vor, mit dem fast immer eine Belastung errechnet wird, die sich in der Nähe der zuletzt gezahlten Miete bewegt, gelegentlich sogar darunter liegt. Aber Vorsicht: Diesen Finanzierungsangebote liegen regelmäßig feste Annahmen zugrunde, die nicht in jedem Einzelfall und vor allem nicht über längere Zeiträume zutreffen müssen. Dies beginnt bei der Zinsbindungsfrist, die nach 5 oder 10 Jahren ausläuft und eine deutliche Mehrbelastung auslösen kann. Auch in dem sogenannten „Hausgeld“ stecken Unwägbarkeiten, da die Instandhaltungsrücklagen gelegentlich sehr niedrig angesetzt sind und eigentlich nur zur Behebung kleinerer Schäden ausreichen werden. Am einfachsten sind noch die Betriebskosten zu beurteilen, die der Mieter, der schon länger in dieser Wohnung wohnt, aus der Vergangenheit heraus ganz gut beurteilen kann. Bei alledem wäre es wünschenswert, wenn 20 Prozent Eigenkapital die Plattform für den Kauf bilden würden. Eines dürfen Mieter jedoch nie vergessen; waren sie bislang für Kapitalkosten, Verwaltungskosten und Instandhaltungskosten nicht zuständig, so wird sie als künftige Eigentümer diese Belastung mit voller Wucht treffen. Wenn die Umlage aufgrund einer größeren unerwarteten Reparatur das Budget bereits ins Wanken bringt, ist Vorsicht geboten. Jede Finanzierung sollte noch ein wenig Spielraum für ein paar Rücklagen und die unerwarteten Dinge des Alttages lassen. Wer dies beherzigt, kann in seiner Mietwohnung auch als Eigentümer glücklich werden. Mieter sollten aber bedenken: Wer sich übernimmt, zahlt kräftig drauf; soziale Bremsen, wie sie im Mietrecht üblich sind, sucht man im Bankgeschäft vergebens.

Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel

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