Monopoly in Schleswig-Holstein

Kiel, den 05.01.2006

Monopoly in Schleswig-Holstein

Mit der Zerschlagung der ehemaligen Kieler Werkswohnungen GmbH im Jahre 1997 nahm er in Schleswig-Holstein seinen Anfang: Der Ausverkauf preiswerter Wohnungen an Finanzinvestoren und Geschäftemacher. Ihren Höhepunkt fand die Privatisierungswut mit dem Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft im Jahre 1999, dem Verkauf der BIG-Heimbau AG an die Deutsche Annington und dem endgültigen Eigentümerwechsel bei der LEG Schleswig-Holstein im Jahre 2003.

Parallel dazu gab es eine Vielzahl kleinerer Transaktionen – einzelne, auch größere Wohnungsbestände wechselten gleich mehrfach die Eigentümer. Der Ausverkauf preiswerten Wohnraums ist noch lange nicht zu Ende. Zur Zeit wird in Pinneberg über den Verkauf der GeWoGe mit ca. 2.000 Wohnungen nachgedacht und auch in Flensburg gibt es Überlegungen, die kommunale Wobau mit 5.000 Wohnungen über den Ladentisch zu reichen.

Bei allem Verständnis für die Finanznot der Kommunen ist jedoch der Verkauf kommunaler Wohnungsbaugesellschaften nach Meinung der schleswig-holsteinischen Mietervereine das mit Abstand schlechteste Mittel zur Haushaltssanierung. In Kiel beispielsweise haben sich die schlimmsten Befürchtungen der Mieterorganisation drastisch bestätigt. Die ehemals kommunale Wohnungsbaugesellschaft schottet sich rigoros gegen finanzschwache und Problemhaushalte ab, obwohl gerade jetzt ein vermehrter Bedarf an preiswertem Wohnraum besteht, der absehbarerweise weiter ansteigen wird. Die unter dem Schlagwort „Hartz IV“ firmierende Gesetzgebung bedeutet für viele Haushalte – gewolltermaßen – einen tiefen Einschnitt in ihr Familieneinkommen. Immer mehr Haushalte werden aufgefordert, ihre Wohnkosten zu senken und sich eine preiswertere Wohnung zu suchen. Gleichzeitig schrumpft in Schleswig-Holstein die Zahl der Sozialwohnungen in unverändertem Tempo weiter zusammen. Von ehemals über 200.000 Wohnungen sind gerade mal ca. 70.000 übrig geblieben mit weiterhin abnehmender Tendenz. Deswegen wissen sich die schleswig-holsteinischen Mietervereine mit ihrem Landesverband und dem Deutschen Mieterbund in Berlin einig in der Forderung, den Ausverkauf preiswerter Wohnungsbestände zu stoppen. Die Gefahr, dass Großanbieter lokal marktbeherrschende Stellungen einnehmen, wird von Tag zu Tag größer. Am Ende können Preisdiktate stehen, wie sie landauf, landab für Empörung gegen das Geschäftsgebaren der Energieriesen sorgen.

Auch das Argument, die Kommunen verkauften nur an seriöse Erwerber, die auch Engagement für die Standorte mitbringen, lässt die Mieterorganisation nicht gelten. Alles schon gehabt: Bei der Zerschlagung der Neuen Heimat haben die Gewerkschaften laut getönt, sie wollten nur an seriöse Erwerber verkaufen und ihre Mieter schützen. Das Ergebnis kann man an vielen Standorten in Schleswig-Holstein bewundern: Heruntergekommene ehemalige NH-Wohnungsbestände finden sich schwerpunktmäßig in Kiel, Lübeck, Flensburg, Itzehoe, Elmshorn und Wedel, um nur einige zu nennen. Etliche Blocks mussten sogar schon abgerissen werden. Dass sich diese Entwicklung wiederholen kann zeigt das Beispiel der Kieler Wohnungsbaugesellschaft, die im Jahre 1999 zunächst an WCM und im Jahre 2004 an den US-Finanzinvestor Blackstone weiterverkauft wurde. Und dass das Unternehmen nicht zimperlich ist zeigt sein neues Geschäftsgebaren: Wer dort eine Wohnung mieten will muss nicht nur seine Finanzsituation komplett offen legen und eine Bescheinigung seines bisherigen Vermieters beibringen – nein, er muss auch damit rechnen, dass ein Vertreter der Wohnungsbaugesellschaft ihn in seiner alten Wohnung besucht, um seine „Wohnfähigkeit“ zu überprüfen.

Fazit der Mieterorganisation: Der Verkauf öffentlich kontrollierter Wohnungsbestände ist kurzsichtig und unwirtschaftlich. Das einmalige Stopfen von Haushaltslöchern wird spätestens dann sehr viel höhere Folgekosten nach sich ziehen, wenn der sicher zu erwartende Konkurrenzkampf um preiswerte Wohnungen an Schärfe zunimmt und die Mieten im preiswerten Marktsegment anheizt. Spätestens dann zahlen die Kommunen, Jobcenter und sonstigen Träger von Unterbringungskosten die Zeche für die Verkaufsorgie. Die Kommunen sind deshalb aufgefordert, etwaige Verkaufsabsichten zu den Akten zu legen.

 

Chronologie der Wohnungsverkäufe in Schleswig-Holstein

1997:  KWW (Kieler Werkswohnungen GmbH) verkaufen mehr als 2000 Wohnungen auf dem Kieler Ostufer an den Verlagserben Alexander Falk.

1997: Die Deutsche Post und die Bundesregierung verkaufen die Deutschbau (39.000 Wohnungen) an die Deutsche Grundbesitz Management GmbH, eine Tochter der Deutschen Bank, und an die Viterra AG zum Preis von 2,1 Mrd. DM. Betroffen auch verstreute Deutschbau-Wohnungen in Schleswig-Holstein.

1999:  Die Landeshauptstadt Kiel verkauft die kommunale KWG (Kieler Wohnungsbaugesellschaft mbH) mit 11.000 Woh­nungen an die WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG.

2000:  Im Dezember werden die Verträge zum Verkauf der rund 114.000 Eisenbahnerwohnungen unterzeichnet. Mitbetroffen sind die in Schleswig-Holstein liegenden Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Norden.

2001:  Teilprivatisierung der LEG SH (Landesentwicklungsgesellschaft Schleswig-Holstein mbH) mit 22.000 Wohnungen. Das Land hält nur noch 50,07 % und die LEG Beteiligungs- GmbH, an der die HSH Nordbank mit 20 Prozent und die B&L Immobilien AG mit 80 Prozent beteiligt sind, 49,9 %.

2002: Die Stadt Lübeck verkauft die 4.500 Wohnungen der Heimstätten GmbH an die Landesentwicklungsgesellschaft Schleswig-Holstein.

2003: Die Deutsche Annington, hinter der letztendlich die Principal Finance Group der japanischen Bank Nomura International steht, übernimmt die BIG-Heimbau AG, der rund 10.000 Wohnungen in Schleswig-Holstein und Hamburg gehören. Die Annington erhöhte damit ihren Wohnungsbestand auf knapp 80.000.

2003: Verkauf der restlichen 50,07 Prozent Landesanteile an der LEG SH an die HSH Nordbank.

2003: Die TUI-Tochter Preussag Immobilien (PSI) verkauft weitere 6.000 Wohnungen der ehemaligen KWW (Kieler Werkswohnungen GmbH) in Kiel an die Deutsche Anlagen Leasing GmbH (DAL). Diese wiederum stieß die  Wohnungen an die amerikanische Investmentfirma Babcock & Brown LP in San Francisco und an einen Rechtsanwalt in Meerbusch ab.

2004: Ein amerikanischer Investor, die Fondsgesellschaft Fortress, kauft die 81.000 Gagfah-Wohnungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Der Verkaufspreis beträgt 2,1 Mrd. Euro. Betroffen auch verstreute Gagfah-Wohnungen in Schleswig-Holstein.

2004: Die WCM AG verkauft ihren kompletten Wohnungsbestand (31.000 Wohnungen), darunter auch die Kieler Wohnungsbau GmbH (11.000 Wohnungen) an den US-Finanzinvestor Blackstone. Der Kaufpreis beträgt 1,4 Mrd. Euro.

2004: Die Viterra AG erhöht ihren Anteil an der Deutschbau GmbH von 50 auf 99 %. Die Deutschbau war 1997 von der Deutschen Post und der Bundesregierung zu einem Kaufpreis von 2,1 Mrd. DM an die Deutsche Grundbesitzmanagement GmbH, eine Tochter der Deutschen Bank, und an die Viterra AG verkauft worden. Betroffen auch verstreute Deutschbau-Wohnungen in Schleswig-Holstein.

2005: Die Stadt Rendsburg verkauft die kommunale RWG (Rendsburger Wohnungs-Gesellschaft MBH) mit 1.400 Wohnungen an einen Nürnberger Haus- und Grundstücksverwalter

2005: Die Deutsche Annington Immobiliengruppe kauft im Mai für rund 7 Mrd. Euro die Viterra AG. Die Viterra besitzt rund 150.000 Wohnungen. Durch den Kauf wird die Deutsche Annington mit einem Bestand von 230.000 Wohnungen Deutschlands größter Vermieter. Den Grundstock zum Aufstieg legte das im Besitz der europäischen Beteiligungsgesellschaft Terra Firma befindliche Unternehmen im Jahr 2001, als es 64.000 Eisenbahnerwohnungen erwarb.

Verantwortlich: Jochen Kiersch – Kiel

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