Landtagswahl: Das wohnungspolitische Credo der Parteien

Kiel, den 29.12.1999

Landtagswahl: Das wohnungspolitische Credo der Parteien

Kiel – Im November 1999 hatte der Landesmieterbund den im Landtag vertretenen Parteien einen Fragenkatalog zur zukünftigen Wohnungspolitik vorgelegt. Darin wurden die Absichten der Parteien zum gesamten Spektrum der Wohnungspolitik abgefragt. Es ging um das Mietgefüge in Schleswig-Holstein und unseren Sozialwohnungsbestand, um die LEG-Wohnungen und das Wohngeld, um die Fehlbelegungsabgabe und unsere Mietspiegel.

Thema waren auch die Betriebskosten, die Pflege der Bausubstanz, Fragen der Mitbestimmung und schließlich der Komplex „vorgerichtliche obligatorische Streitschlichtung“, mit dem der Zugang zu den Gerichten erschwert werden soll. Zwanzig Seiten Papier sind von den Parteien dazu eingetroffen, weswegen hier natürlich nur die wesentlichen Aussagen wiedergeben können.

Im Einzelnen:

Das hohe Mietgefüge in Schleswig-Holstein wird nur von SPD und SSW thematisiert. Dabei will die SPD den sozialen Wohnungsbau als Steuerungsinstrument einsetzen und mit verschiedenen Maßnahmen dessen Kosten drücken. Die F.D.P. ist der Meinung, dass die Mietsteigerung im langjährigen Vergleich gering geblieben ist. Sie setzt auf eine verstärkte Städtebauförderung und die Bildung von Wohneigentum.

Dem rasanten Abschmelzen des Sozialwohnungsbestandes um ca. 50 Prozent bis zum Jahre 2008 will die SPD durch Fortsetzung der öffentlichen Wohnungsbauförderung mit ca. 20 bis 25 Prozent des jährlichen Wohnungsbaukontingentes entgegenwirken. Parallel dazu will sie Belegrechte ankaufen und bei der Förderung des Altbaubestandes neu vereinbaren. CDU und Grüne legen sich auf konkrete Maßnahmen nicht fest, die F.D.P. lehnt den sozialen Wohnungsbau dem Grunde nach ab. Der SSW hält ein ausreichendes Angebot an Sozialwohnungen für erforderlich und bietet an, genauere Zahlen im Gespräch mit Wohnungsbauexperten zu entwickeln.

Klare Antworten gab es zu der Frage, ob die LEG Schleswig-Holstein und ihr Wohnungsbestand privatisiert werden sollen. Die SPD lehnt den Verkauf der WOBAU ab, möchte aber für die LEG weitere Gesellschafter dazugewinnen. Auch die Grünen und der SSW haben mit einer Privatisierung der LEG nichts im Sinn, während die CDU sich sehr deutlich und die F.D.P. sich verhalten für eine Privatisierung aussprechen.

Unsere Frage nach der Entwicklung des Wohngeldes hat sich erledigt, da die Neuregelung mit Wirkung vom Jahre 2001 beschlossene Sache ist.

Die vom Landesmieterbund seit Jahren kritisierte Fehlbelegungsabgabe mit ihren unflexiblen Vergleichsmietwerten hat die soziale Entmischung in den Ballungsräumen kräftig gefördert, so dass sie örtlich bereits ausgesetzt werden musste. Ob sie aufrecht erhalten bleibt scheint offen; die SPD macht dies im Wesentlichen von dem Verhältnis zwischen Verwaltungsaufwand und Nettoeinnahme abhängig. Die CDU spricht sich für eine Beibehaltung aus und stellt langfristig den sozialen Wohnungsbau in Frage. Statt dessen könnte mehr auf Subjektförderung – sprich Wohngeld – gesetzt werden. Auch die Grünen stellen die Fehlbelegungsabgabe nicht in Frage, wollen aber den auch durch die Fehlbelegungsabgabe eingetretenen Fehlentwicklungen durch städtebauliche Maßnahmen entgegenwirken. Die F.D.P. spricht sich dem Grunde nach gegen die Fehlbelegungsabgabe aus und für eine verbesserte Berechnung des Subventionsvorteils. Sie will den Kostenaufwand für Verwaltung senken wie auch der SSW, der eine zeitnahe und flexible Reaktion der Fehlbelegungsabgabe auf Marktveränderungen fordert.

Unsere Frage, ob die Parteien die Aufstellung weiterer Mietspiegel auch für kleinere Kommunen unterstützen, fand ebenfalls klare Antworten; die SPD hält Mietspiegel für ein ideales Instrument zur Transparenz des örtlichen Wohnungsmarktes und würde gerne weitere Mietspiegel unter Achtung der kommunalen Unabhängigkeit installieren. Ein Rahmengesetz zur Vereinheitlichung von Mietspiegeln hält sie für hilfreich. Die CDU möchte am Status quo mit vier Mietspiegeln im Lande festhalten und hält Mietspiegel in kleineren Kommunen wegen begrenzter Aussagekraft und hoher Kosten für verzichtbar. Auch die Bündnis/Grünen sprechen sich für eine Stärkung der Mietspiegel aus und halten sie ab einer Gemeindegröße von etwa 50 Tausend EinwohnerInnen für sinnvoll. Die F.D.P. wiederum hält Mietspiegel für zweite Wahl mit begrenzter Eignung. „Der Markt selbst macht die erforderlichen Vorgaben.“. Gegen einvernehmliche Lösungen auf Basis von Mietspiegeln hat die F.D.P. nichts einzuwenden. Der SSW wiederum ist über die Frage der Sinnhaftigkeit von Mietspiegeln parteiintern zerrissen. Er lehnt sie nicht grundsätzlich ab und anerkennt ihre Bedeutung für „bestimmte Städte“.

Auf unsere Frage, wie die Parteien den ungebremsten Anstieg der Betriebskosten verhindern wollen und ob sie bereit sind, die Umlagefähigkeit zukünftig nur dann zuzulassen, wenn Mieter auf Betriebskosten einen unmittelbaren Einfluss haben, erhielten wir sehr differenzierte Antworten; die SPD plant hier keinerlei Änderung und setzt auf die Kräfte des Marktes. Die Förderung von Heiz- und Betriebskostenspiegeln hält sie für machbar. Dies lehnt die CDU ausdrücklich ab und will auch am Status quo nichts ändern. Die Bündnis/Grünen halten es für sinnvoll, stärker zwischen verbrauchsabhängigen und unabhängigen Betriebskosten zu unterscheiden und möchten, dass sich die örtlichen Mietervereine stärker und frühzeitiger in die kommunale Investitionsplanung einmischen. Die F.D.P. wiederum ist der Meinung, dass „mehr Markt“ auch überhöhten Betriebskosten entgegenwirkt und sieht wenig Nutzen in Heiz- und Betriebskostenspiegeln. Sie spricht sich für konkrete Zuordnung von Betriebskosten nach dem Verursacherprinzip aus. Der SSW hingegen mahnt den Gesetzgeber im Bereich Betriebskosten „Zurückhaltung zu üben“. Er warnt vor zusätzlicher Bürokratie bei einer etwaigen Betriebskostenkontrolle.

Zwangsmaßnahmen, um die Vernachlässigung von Wohnungsbeständen zu unterbinden, lehnen die Parteien ab. SPD und Grüne setzen auf das neue Programm „Soziale Stadt“, mit dem gezielt benachteiligte Stadt- und Ortsteile im Bestand gefördert werden. Ähnlich äußert sich die CDU, während die F.D.P. auf das geltende Recht setzt und Interessenvertretungsorganisationen wie den Deutschen Mieterbund in der Pflicht sieht. Der SSW fordert Förderprogramme ein und setzt auf ein ausreichendes Wohnungsangebot, in dem gesundheitsschädliche Wohnungen sich als nicht mehr vermietbar erweisen werden.

Unsere Frage nach einer verbesserten Mietermitbestimmung beantwortet die SPD mit einem Hinweis auf das Programm „Soziale Stadt“, auf die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei den Genossenschaften verbunden mit der Aussage, sie sei für eine Ausweitung der Mietermitbestimmung grundsätzlich gesprächsbereit. Die Antwort der CDU lautet: „Eine institutionalisierte Mietermitbestimmung wird von uns nicht unterstützt…“. Sie stellt es den Vermietern frei, Mietermitbestimmungsmöglichkeiten auf freiwilliger Basis einzuräumen. Bündnis 90 / Die Grünen verweisen auf das Programm „Soziale Stadt“ und sprechen sich für breitgefächerte Beteiligungsmöglichkeiten z.B. auch von Kindern und Jugendlichen aus. Ähnlich äußert sich der SSW „sieht aber Grenzen bei dem Versuch, Mietermitbestimmungseinrichtungen zu institutionalisieren.“. Auch die F.D.P. unterstützt Bemühungen um eine Stärkung der Mietermitbestimmung, lehnt allerdings eine institutionalisierte Mietermitbestimmung ausdrücklich ab.

Und schließlich die „vorgerichtliche obligatorische Streitschlichtung„: Die SPD begrüßt das Konzept dem Grunde nach und spricht sich für eine Integration des Mieterbundes in ein zukünftiges Verfahren aus. Die CDU hält zwar eine vorgerichtliche Streitschlichtung unter Einbeziehung der Verbände für sinnvoll, spricht sich jedoch gegen eine gesetzliche Verpflichtung aus. Bündnis/Grüne und SSW legen ein klares Bekenntnis zur vorgerichtlichen Streitschlichtung ab und wollen sie auch auf Landesebene umsetzen. Dies hält auch die F.D.P. für wünschenswert und zwar einschließlich der Mietstreitigkeiten. Sie spricht sich für eine qualitativ hochwertige Streitschlichtung aus, die überzeugend und professionell arbeiten kann. Deswegen setzt sie sich für eine Einbindung der Verbände ein und hält eine Übertragung auf Schiedsleute für nicht sachgerecht.

Und was sind diese Aussagen nun wert? Ein paar Wochen vor der Kommunalwahl wusste die Kieler SPD noch nicht, dass sie ein paar Wochen nach der Kommunalwahl die Weichen für den KWG-Verkauf stellen würde (wer es nachlesen will: www.kieler-mieterverein.de ). So wird wohl auch im Jahre 2000 erst die weitere Entwicklung zeigen, wie ernst die Aussagen zu nehmen sind. Den vollständigen Fragenkatalog und die vollständigen Antworten der Parteien können unter www.mieterbund-schleswig-holstein.de abgerufen werden.

Verantwortlich: Jochen Kiersch, Kiel

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